Spezieller Spaziergang durch die Soester Altstadt

Aus dem Soester-Anzeiger vom 26.2.2017
Autor und Photo:Thomas Brüggestraße

Fußgänger bei der gepfalsterten Stelle

 

Soest - Keine speziell ausgewählten Testläufer, sondern „normale“ Soester Bürger waren nun zum Ausprobieren des neuen Pflasters gefordert. Ist ja auch sinnvoll: Sie sind es, die demnächst täglich darüber schlendern.
Sind Chinesen grün oder weiß? Man sah das am besten, wenn Wasser übers Pflaster kam, und so griff Dirk Mackenroth am Samstag zum Eimer und kippte den Soestern das Wasser vor die Schuhe. Mit den Füßen sollten sie nämlich schließlich abstimmen, ob da ein großer Wurf gelungen ist mit dem, was die Arbeiter am Petrikirchplatz als Probefläche verlegt haben. Vier mal vier Meter misst die Fläche, der breite Gehstreifen aus gesägten und abgeflämmten Granitsteinen aus China wird an beiden Seiten flankiert von einer dreizeiligen Rinne mit einer leichten Erhöhung als Klopfkante und Orientierung für Blinde, den Abschluss bilden Segmentbögen aus gebrochenem Kleinpflaster. Ab dem Sommer könnte das so in der Altstadt verlegt werden, wenn der Stadtentwicklungsausschuss das letzte Okay gibt. Zwei Bauabschnitte wird es geben: Erst vom Café am Dom bis an die Rathauskante am Seel. Dann ab Anfang nächsten Jahres weiter bis auf den Markt. Das alte Kopfsteinpflaster wird komplett abgeräumt, wie Abteilungsleiter Olaf Steinbicker noch einmal versicherte: Schluss mit den ungeliebten Huckeln. „Toll!“, so haben das die meisten Soester gesehen, die zwischen 10 und 13 Uhr dabei waren.

Erst gab es einen kurzen Fachvortrag mit Blick auf Pläne und technische Details, dann Zeit zum Testen, für Gespräche und das Ausfüllen von Fragebögen. „Gehstreifen und Rinnen in weißem Granit, oder nur die Rinnen weiß und der Gehstreifen grün?,“ das wollten die Planer wissen, und Platz für Anmerkungen war auch. „Uns ist wichtig, was die Bürger denken“, unterstrich Steinbicker. Eben und rutschfest sollen sie sein, die Steine. 300 Jahre können sie halten, ohne dass etwas abplatzt, erklärten die Planer der Stadt.

Der Zement in den Fugen dürfte eher bröseln, und die Fugen wurden von den vielen Neugierigen besonders akribisch untersucht: Pfennigabsätze bleiben nicht hängen, Fahrräder, Kinderwagen, Rollatoren und die meisten Rollstühle schoben sich prima hin und her – nur zu schmal dürfen die Reifen nicht sein: Behinderten-Aktivistin Brigitte Piepenbreier sah das mit ihrem „Rolli“-Modell gleich kritisch. Auch die „taktile Führung“ für Sehbehinderte war in der Diskussion: Wird das nicht doch eine Stolperkante für Unwissende? Die Antwort ist: Man weiß es nicht.

„Die Kante ist wichtig für uns“, freute sich Eva Hoffmann vom Blinden-Verein: „Gut ertastbar mit der Stockspitze, eine wichtige Orientierung.“ Wieder andere freuten sich: „Ein schönes Pflaster. Viel ebener als bisher. Super zum Tanzen!“ Dr. Clemens Briefs muss nach einer OP im Moment mit Stöcken übers Huckel-Pflaster. Er machte die Geh-Probe auf dem neuen Granit und befand: „Sehr gut: Man hat ein viel besseres Standgefühl. Wenn das so wird, geht man angstfrei durch die Stadt.
Das haben sie sehr gut gemacht, und es wurde auch höchste Zeit!“ Das fand auch Charlotte Bozek. Die Seniorin will schon sechs Mal hingeknallt sein auf der alten rutschigen Grauwacke. Keinen blauen Flecken ließ sie aus bei ihrer Schilderung: „Ein Horror!“, sagte sie: „Gut, dass sich jetzt was ändert.“ Dieter Halverschmidt rangierte mit dem Rollstuhl auf der Probefläche hin und her – und nickte zufrieden: „Sehr gut, lässt sich bestens drauf fahren“, befand der 78-Jährige. Und die jungen Leute? Auch sie fanden’s gut.

Obwohl eine Frage unbeantwortet blieb: Hält so ein Smartphone, wenn es aus Versehen auf das neue Pflaster fliegt? Beim alten wird es eng...